Daddy: Storys

Buchseite und Rezensionen zu 'Daddy: Storys' von Emma Cline
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Inhaltsangabe zu "Daddy: Storys"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:256
EAN:9783446270732

Rezensionen zu "Daddy: Storys"

  1. Die Ängste der Väter

    2016 sorgte Emma Cline mit ihrem Debütroman "The Girls" auch in Deutschland für Aufsehen. Dass sie mit "Daddy" eine Sammlung von Erzählungen folgen lässt, ist eine mutige Entscheidung - die sich allerdings gelohnt hat. Sieben der zehn Storys sind in den vergangenen Jahren bereits in namhaften Magazinen wie dem "New Yorker" erschienen, doch den meisten deutschen Leser:innen vermutlich unbekannt.

    Nicht umsonst heißt der Erzählband "Daddy", denn in den zehn "Storys", so der Untertitel des Verlags, spielen die Väter sehr oft eine zentrale Rolle. Nicht selten sind diese Väter von Ängsten geplagt: die Angst des übergriffigen Vaters vor der Vergangenheit, die Angst des gealterten Vaters vor der Bedeutungslosigkeit, die Angst des werdenden Vaters vor der Zukunft. Meisterlich beherrscht Emma Cline dabei das Spiel mit den Erwartungen und der Fantasie der Leser:innen. Vieles wird nur angedeutet, manchmal sogar nur zwischen den Zeilen. Längst hat sich der Leser sein Urteil gebildet, eine Figur vielleicht sogar schon verurteilt. Und selbst die Enden der Erzählungen sind häufig so offen, dass es einem selbst überlassen wird, die Geschichte im Kopf weiterzuspinnen.

    Überrascht wird man durch feine Untertöne in den Dialogen und Beschreibungen, durch Figuren, deren Glück irgendwann verloren ging und die nun umso fester darum kämpfen, es zurückzuerobern: illusionslos und immer ein wenig an der Grenze zur Einsamkeit, manchmal sogar schon darüber hinweg.

    Doch trotz der überwiegend traurigen Figuren gelingt es Emma Cline seltsamerweise nur manchmal, mich mit diesen zu berühren. Hervorheben möchte ich die Erzählungen "Sohn von Friedman" und "Marion", bei denen ich genau diesen Zugang zu den Charakteren fand und von denen gerade die letztgenannte mich auch atmosphärisch mitgerissen hat. Friedman, ein einsamer, gealterter Regisseur oder Produzent, dessen Sohn seinen ersten Film präsentiert, ist eine Figur, die mir naheging. Fast schon unsichtbar verschwindet er bei allen, die ihn umgeben, in der Bedeutungslosigkeit - tragisch. In "Marion" lernen wir ein elfjähriges Mädchen kennen, das sich in seiner Einsamkeit eine etwas ältere Freundin aussucht, die in einer Hippie-Kommune lebt - und scheitert, obwohl es sich so stark bemüht.

    In einigen anderen Storys fehlte mir genau dieser Zugang zu den Figuren, sie blieben fremd und unnahbar, insbesondere wenn sie sich im Drogen- oder Alkoholrausch befanden.

    Ein kleinerer Kritikpunkt, der nicht darüber hinwegtäuscht, dass es sich bei Emma Clines "Daddy" um eine lesenswerte Sammlung von Erzählungen handelt: überraschend, pointiert und mit viel Freiraum für die Fantasie der Leser:innen.